PLATONS HÖHLENGLEICHNIS
Die Spiegelbilder außerhalb der Höhle stehen für die Mathematik, die nach Platon eine Grundbedingung für philosophisch abstraktes Denken ist. Das Höhleninnere steht für den Bereich des Sichtbaren und die Gegend außerhalb des Denkbaren. Das Feuer in der Höhle steht für die Sonne (die Sonne selbst steht für die "Form des Guten"). Das Sehen in der Höhle entspricht dem Meinungsbild aufgrund von Sinneswahrnehmungen und das Sehen außerhalb der Höhle entspricht der Tätigkeit des erweiterten, abstrakten Denkens. Die Menschen stehen nicht für die Menschen selbst, sondern für die Seelen der Menschen, die ihren Grad der Erkenntnis innerhalb des Gleichnisses selbst wählen können. Plato's Höhlengleichnis: I. Vom Leben in der Höhle »Hierauf vergleiche nun, fuhr ich fort, unsere Natur in
bezug auf Bildung und Stelle dir nun längs der kleinen Mauer Menschen vor, die
allerhand Geräte Sie sind uns ähnlich, erwiderte ich. Denn erstens: glaubst du, diese Menschen hätten von sich selbst und voneinander je etwas anderes zu sehen bekommen als die Schatten, die das Feuer auf die ihnen gegenüberliegende Seite der Höhle wirft? - Wie sollten sie, sagte er, wenn sie zeitlebens gezwungen sind, den Kopf unbeweglich zu halten? Was sehen sie aber von den Dingen, die vorübergetragen
werden? Doch eben II. Der Austritt aus der Höhle Überlege dir nun, fuhr ich fort, wie es wäre, wenn sie
von ihren Fesseln befreit und damit auch von ihrer Torheit geheilt würden; da müsste
ihnen doch naturgemäß folgendes widerfahren: Wenn einer aus den Fesseln gelöst und
genötigt würde, plötzlich aufzustehen, den Hals zu wenden, zu gehen und gegen das Licht
zu schauen, und wenn er bei all diesem Tun Schmerzen empfände und wegen des blendenden
Glanzes jene Dinge nicht recht erkennen könnte, deren Schatten er vorher gesehen hat -
was meinst du wohl, dass er antworten würde, wenn ihm jemand erklärte, er hätte vorher
nur Nichtigkeiten gesehen, jetzt aber sei er dem Seienden näher und so, dem eigentlicher
Seienden zugewendet, sehe er richtiger? Und wenn der ihm dann ein jedes von dem
Vorüberziehenden zeigte und ihn fragte und zu sagen nötigte, was das sei? Und wenn man ihn gar nötigte, das Licht selber anzublicken, dann schmerzten ihn doch wohl die Augen, und er wendete sich ab und flöhe zu den Dingen, die er anzuschauen vermag, und glaubte, diese seien tatsächlich klarer als das, was man ihm jetzt zeigt? -Es ist so, sagte er. Schleppte man ihn aber von dort mit Gewalt den rauen und steilen Aufgang hinauf, fuhr ich fort, und ließe ihn nicht los, bis man ihn an das Licht der Sonne hinausgezogen hätte - würde er da nicht Schmerzen empfinden und sich nur widerwillig so schleppen lassen? Und wenn er ans Licht käme, hätte er doch die Augen voll Glanz und vermöchte auch rein gar nichts von dem zu sehen, was man ihm nun als das Wahre bezeichnete? - Nein, erwiderte er, wenigstens nicht im ersten Augenblick. Er müsste sich also daran gewöhnen, denke ich, wenn er die Dinge dort oben sehen wollte. Zuerst würde er wohl am leichtesten die Schatten erkennen, dann die Spiegelbilder der Menschen und der andern Gegenstände im Wasser und dann erst sie selbst. Und daraufhin könnte er dann das betrachten, was am Himmel ist, und den Himmel selbst, und zwar leichter bei Nacht, indem er zum Licht der Sterne und des Mondes aufblickte, als am Tage zur Sonne und zum Licht der Sonne. - Ohne Zweifel. Zuletzt aber, denke ich, würde er die Sonne, nicht ihre Spiegelbilder im Wasser oder anderswo, sondern sie selbst, an sich, an ihrem eigenen Platz ansehen und sie so betrachten können, wie sie wirklich ist. - Ja, notwendig. Und dann würde er wohl die zusammenfassende Überlegung über sie anstellen, dass sie es ist, die die Jahreszeiten und Jahre herbeiführt und über allem waltet in dem sichtbaren Raume, und dass sie in gewissem Sinne auch von allem, was sie früher gesehen haben, die Ursache ist. - Offenbar würde er nach alledem so weit kommen. Wenn er nun aber an seine erste Behausung zurückdenkt und an die Weisheit, die dort galt, und an seine damaligen Mitgefangenen, dann wird er sich wohl zu der Veränderung glücklich preisen und jene bedauern - meinst du nicht? - Ja, gewiss. Die Ehren aber und das Lob, das sie einander dort
spendeten, und die Belohnungen für den, der die vorüberziehenden Schatten am schärfsten
erkannte und der sich am besten einprägte, welche von ihnen zuerst und welche danach und
welche gleichzeitig vorbeizukommen pflegten, und daraus am besten vorauszusagen wusste,
was jetzt kommen werde - glaubst du, er sei noch auf dieses Lob erpicht und beneide die,
die bei jenen dort in Ehre und Macht stehen? Oder wird es ihm so gehen, wie Homer sagt,
dass er viel lieber auf dem Acker bei einem armen Mann im Taglohn arbeiten und lieber
alles mögliche erdulden will, als wieder in jenen Meinungen befangen sein und jenes III. Die Rückkehr Denke dir nun auch folgendes, fuhr ich fort: Wenn so ein
Mensch wieder Wenn er dann aber wieder versuchen müsste, im Wettstreit mit denen, die immer dort gefesselt waren, jene Schatten zu beurteilen, während seine Augen noch geblendet sind und sich noch nicht wieder umgestellt haben (und diese Zeit der Umgewöhnung dürfte ziemlich lange dauern), so würde man ihn gewiss auslachen und von ihm sagen, er komme von seinem Aufstieg mit verdorbenen Augen zurück und es lohne sich nicht, auch nur versuchsweise dort hinaufzugehen. Wer aber Hand anlegte, um sie zu befreien und hinaufzuführen, den würden sie wohl umbringen, wenn sie nur seiner habhaft werden und ihn töten könnten. - Ja, gewiss, sagte er. Dieses ganze Gleichnis, mein lieber Glaukon, fuhr ich fort, musst du nun an das anknüpfen, was wir vorhin besprochen haben. Die durch das Gesicht uns erscheinende Region setze dem Wohnen im Gefängnis und das Licht des Feuers in ihr der Kraft der Sonne gleich. Und wenn du nun den Aufstieg und die Betrachtung der Dinge dort oben für den Aufstieg der Seele in den Raum des Einsehbaren nimmst, so wirst du meine Ahnung nicht verfehlen, die du doch zu hören wünschest. Gott aber mag wissen, ob sie richtig ist. Meine Ansicht darüber geht jedenfalls dahin, dass unter dem Erkennbaren als letztes und nur mit Mühe die Idee des Guten gesehen wird; hat man sie aber gesehen, so muss man die Überlegung anstellen, dass sie für alles die Urheberin alles Richtigen und Schönen ist. Denn im Sichtbaren bringt sie das Licht und seinen Herrn hervor; im Einsehbaren aber verleiht sie selbst als Herrin Wahrheit und Einsicht. Sie muss man erblickt haben, wenn man für sich oder im öffentlichen Leben vernünftig handeln will. - Ich bin derselben Ansicht, sagte er, soweit ich zu folgen vermag!« Ist der Text zu kompliziert? Hier finden Sie eine Interpretation! Und wenn Sie auf folgenden Link klicken, finden Sie eine Übertragung des Höhlengleichnisses in unsere Zeit: 0700stud-platon |
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