ABWEHRMECHANISMEN

Die Psychoanalyse nimmt an, dass Triebwünsche, deren Befriedigung verboten ist, die aber nicht aufgeschoben werden können, Spannungen und Ängste erzeugen. Diese können - in der Regel unbewusst - durch Abwehrmechanismen reduziert werden. Mit ihrer Hilfe wird eine Anpassung an die Umwelt erzielt, allerdings - wenn sie zu massiv und zu einseitig sind - auf Kosten der seelischen Gesundheit: Der Mensch wird zwar angepasst, aber neurotisch krank. In schwächerer Ausprägung spielen sie auch beim seelisch Gesunden die durchaus positive Rolle, der Anpassung zu dienen. Als Abwehrmechanismen werden u.a. folgende, meist unangepasste, Verhaltensweisen bezeichnet:

Rationalisierung Für das Ausbleiben einer Befriedigung oder für eigene unangepasste Verhaltensweisen wird eine einleuchtende , aber nicht der tatsächlichen Situation entsprechende Erklärung gefunden.
Verdrängung Antriebe, Wissen, Erfahrungen und Gefühle werden vollständig aus dem Bewusstsein ausgeschlossen, um Angst oder Schuldgefühle zu vermeiden.
Verleugnung Eine Person verschließt die Augen vor der Realität, um damit Beeinträchtigungen ihres Selbstgefühls zu entgehen.
Projektion Das Individuum schützt sich selbst vor den eigenen unerwünschten Eigenschaften oder nicht akzeptierten Gefühlen, indem es sie anderen zuschreibt.
Verschiebung Umlenkung aufgestauter Gefühle auf Personen, Ideen oder Sachen, die mit der eigentlichen Ursache nicht in Beziehung stehen.
Hypochondrie/ Konversion Emotionale Spannungen und Konflikte drücken sich in einer Vielzahl von seelisch bedingten Krankheiten aus.
Reaktionsbildung Nicht verwirklichte Wünsche werden verdrängt, und an ihrer Stelle werden die entgegengesetzten Einstellungen oder Verhaltensweisen mit großem Nachdruck vertreten.
Kompensation Verhüllung einer Schwäche durch Überbetonung eines erwünschten Charakterzuges; Frustration auf einem Gebiet wird aufgewogen durch übermäßige Befriedigung auf einem anderen.
Regression Rückzug auf eine frühere Entwicklungsstufe mit primitiveren Reaktionen und in der Regel auch niedrigem Anspruchsniveau.
Identifikation Erhöhung des Selbstwertgefühls durch Identifikation mit einer Person oder Institution von hohem Rang
Sublimation Affekte und Wünsche werden nicht verdrängt, sondern "veredelt" und auf einer höheren Stufe nutzbar gemacht.
Isolierung Ein gefährlicher Gedanke wird ausgegrenzt oder von anderen Gefühlen oder Gedanken abgetrennt.
Ungeschehenmachen Ein unangenehmes Erlebnis in der Vergangenheit wird "ausgelöscht" oder zumindest so abgeändert, dass die Erinnerung daran erträglich wird.
Humor Mit Humor lassen sich seelische Konflikte ausdrücken, ohne damit sich selbst zu behindern oder andere zu verstören, verletzen oder auszubeuten.
 

Auch Erkenntnisse der Sozialpsychologie belegen die Funktion der Abwehrmechanismen zur Erhaltung unseres positiven Selbstwertgefühls. Wir pflegen im Allgemeinen ein positives Bild von uns selbst. Um diesem positiven Selbstbild zu entsprechen, schreiben wir uns Eigenschaften und Vorzüge zu, die wir in Wirklichkeit nicht nesitzen oder nur selten zeigen. Diese Selbsteinschätzung ist weit verbreitet, sie ist der psychologische Normalfall. (So glauben zum Beispiel 80 Prozent aller Autofahrer, dass sie weit bessere Chauffeure sind als der Durchschnitt.) Ohne diese Selbstidealisierung brächten wir kaum genügend Selbstsicherheit und Selbstvertrauen für die Bewältigung des Alltagslebens auf.
Manchmal blamieren wir uns aber durch Unwissen oder Ungeschick, uns rutscht eine unangemessene Bemerkung heraus, oder wir entlarven uns als "unerwartet" intolerant, spießig, chauvinistisch oder aggressiv - und sind dann plötzlich mit dem "wahren Ich" konfrontiert. Da treten die Abwehrmechanismen als Immunsystem der Psyche in Aktion. Das Ich verteidigt sich gegen den drohenden Imageverlust und versucht, die Realität zurechtzubiegen.

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